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Interview über das Thema Kinderrechte | ||||
„Geht nicht ums Recht auf Fernsehen“ | ||||
Ein Gespräch mit der Kinder- und Jugendbuchautorin Antje Szillat über ihr Engagement in Sachen Kinderrechte Haben Kinder zu viele Rechte oder zu wenig? Gehören nicht auch Pflichten dazu? Die Hildesheimer Allgemeine Zeitung sprach mit der Autorin Antje Szillat, die mit ihrer Buchfigur „Justine“ für die Rechte der Kinder wirbt. Sie engagieren sich für Kinderrechte - viele Leute sind aber der Meinung, Kinder hätten heutzutage eher zu viele Rechte als zu wenige und würden sich überdies zuviel rausnehmen. Szillat: Es geht ja auch nicht um das Recht auf unbegrenztes Fernsehen, mehr Nutella oder Frechheit gegenüber Älteren. Dafür bin ich natürlich auch nicht. Mir geht es um die Rechte, die in der UN-Kinderrechtskonvention verankert sind ... ... die aber nicht gerade sonderlich bekannt sind. Stimmt. Da gibt es 54 Artikel, und die gibt es seit 20 Jahren, aber viele Menschen wissen davon nichts oder wenig. Auch Kinder, Eltern oder Lehrer nicht. Ich will dazu beitragen, das zu ändern. Welche Rechte sind denn das zum Beispiel? Nennen Sie doch mal drei. Kinder haben unter anderem das Recht Gewaltfrei aufzuwachsen, das Recht auf eigene Meinung und das Recht auf Bildung. Letzteres werden viele Kinder ja nicht unbedingt als Privileg empfinden. Sie "müssen" zur Schule gehen, nicht umsonst gibt es die Schul-"Pflicht"... Fragen Sie mal Kinder in Afrika, die geben Ihnen da ganz andere Antworten. Für die ist Schule ein Privileg. Unsere Gesellschaft weiß viele Vorzüge gar nicht so zu schätzen, weil sie selbstverständlich scheinen. Viele dieser Rechte klingen erstmal sehr theoretisch. Was wünschen sich denn Kinder in unserer "satten" Gesellschaft konkret? Ganz oft einfach Zeit mit ihren Eltern. "Papa soll um 17 Uhr nach Hause kommen und dann eine halbe Stunde mit mir Fußball spielen" zum Beispiel. Das ist ja überhaupt ein Problem in unserer Gesellschaft. Wie meinen Sie das? Nun ja, heute sitzen Kinder oft in toll eingerichteten Zimmern mit viel Spielzeug und einem Computer, und die Eltern meinen, die haben doch alles, denen fehlt nichts -- und dabei fehlen den Kindern eben gemeinsame Unternehmungen oder Erlebnisse. Also ein Recht auf mehr menschliche Wärme in der Familie. Genau. Es kann aber auch um das Gegenteil gehen. Bei der Verleihung des Kinderrechtepreis „Justine“ des Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V. in Köln war eine Gruppe vorn dabei, die sich dagegen wehrt, dass Großmütter und Tanten sie immer mit dickem Lippenstift abküssen und sie dann rot verschmierte Wangen haben. Die Kinder fühlen sich dann in ihrer Würde eingeschränkt, auch wenn sie es selbst so vielleicht nicht bezeichnen würden. Auf das Problem wäre ich in der Tat nicht gekommen. Sehen Sie? Aus Sicht von Kindern kann das aber sehr wichtig sein, und wie soll man das dann der Oma sagen? Schon sind wir beim vermeintlich theoretischen Recht auf die eigene Meinung. Nun sind Kinder aber Kinder und können nicht alles allein entscheiden. Läuft die Erziehung nicht aus dem Ruder, wenn nur noch von Rechten die Rede ist? Wenn das so wäre, ja. Aber es muss immer klar sein, dass, wer Rechte hat, auch Pflichten hat. Und dass andere auch Rechte haben. (Lacht) Sogar Erwachsene. Also das Kind hat ein Recht auf ein eigenes Zimmer, aber die Mutter hat ein Recht darauf, dass dieses Zimmer sauber ist, weil ihr das Haus gehört? So in etwa. Wir haben ja vier Kinder, und natürlich haben die nicht nur Rechte, sondern auch Aufgaben im Haushalt. Die Vierjährige muss nicht das Wohnzimmer neu streichen. Aber dass man nach dem Essen gemeinsam abräumt und abwäscht, gehört zum Beispiel ebenso dazu wie die Tatsache, dass alle sich um die Haustiere kümmern, nicht nur mein Mann und ich. Klingt ziemlich selbstverständlich. Ist es heutzutage aber weniger, als Sie vielleicht glauben. Echt. Gibt es auch Pflichten außerhalb der eigenen vier Wände? Natürlich. Ein Kind sollte auch lernen, nicht nur auf seine eigenen Rechte zu achten, sondern auch auf die anderer. Wenn ein anderes Kind ungerecht behandelt wird, wenn ein Klassenkamerad nie ein Pausenbrot dabei hat und dann hungrig ist, wenn es sieht, wie Tiere gequält werden -- dann kann es sich nicht immer selbst einmischen, aber Eltern oder Lehrern Bescheid sagen. Zivilcourage, aufeinander aufpassen, ein Gefühl für Gerechtigkeit entwickeln -- das lernt man schon als Kind. Und Ihre vier Kinder? Lesen die Ihnen jetzt bei jeder Gelegenheit ihre Rechte vor? Klar, vor allem der Kleine. Der hat den Zusammenhang mit den Pflichten noch nicht ganz verstanden, aber das kommt schon noch. Also sind Kinderrechte auch ein Thema für Erwachsene? Natürlich. Man überprüft sich auch selbst immer wieder. Darf ich aus Fürsorge mal ins Tagebuch meiner Tochter gucken, nur für alle Fälle, um nicht etwas Schlimmes zu spät mitzukriegen? Oder wäre das ein Vertrauensbruch? Da wäge ich auch ständig ab. Aber man sollte wissen: Es gibt Kinderrechte, und die spielen auch im Alltag eine Rolle. |
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Mehr Infos: www.antjeszillat.de | ||||